In diesem Kunstforum aus Film und Kurzvorträgen wird das Kino (Ort, Gegenstand und Subjekt des Denkens. Nicolaas Schmidts filmische Installation „The Time For All But Sunset“ reflektiert ästhetisch den Ort des Kinos. Das Filmwerk und dessen sinnliche Wahrnehmungsweisen setzen dem Kinodispositiv der ideologischen Höhle eine Höhle der ästhetischen Reflexion entgegen, die eine spezifisch epistemologische Aufwertung erfährt: Die Projektion eines Doppelepisoden-Film aus zwei Plansequenzen, wird unterbrochen und der dynamische Zwischenraum zwischen Leinwand und Betrachter zum Element der filmischen Installation. Ein philosophischer Kurzvortrag nimmt hier seinen Ausgang.
Die erste Episode ist FIRST TIME (Uraufführung August 2021):
Ein junger Mann am Fenster einer U-Bahn. Er schaut mit geschlossenen Augen in die untergehende Sonne, orange-rot leuchtet sie durch beide Lider. Ein anderer Junge setzt sich zu ihm. Während der Fahrt der rundläufigen Hamburger Linie U3 sitzen sie einander schweigend und spannungsvoll gegenüber, keiner von ihnen steigt aus. In einer 40-minütigen Plansequenz begleitet die Kamera beide seitlich und es entsteht eine minimal-atmosphärische Dramaturgie aus Sound/Musik von Goldener zu Blauer Stunde. Sie bildet das Prequel zur zweiten Episode
FINAL STAGE (2017):
Grauer Beton, Bürogebäude und ein Einkaufszentrum im 80er Brutalismus. Ein Junge durchquert in einer Plansequenz „Europas Längste Shopping Mall“. Er weint einsam jemandem nach (27min). Zwischen diesen beiden Filmprojektionen liegt unsichtbar, im Schwarzframe des Bandwechsels die Auflösung, Narration und das verbindende Element der montierten Filme – die (Liebes-) Geschichte der beiden Jungen: Die Kinosaalbeleuchtung wird leicht hochgedimmt, während ein Vollmond auf der Leinwand langsam zur realen, sich im Raum befindlichen Spiegelkugel transformiert und den Saal in eine rotierende Sternennacht verwandelt.
Anne Döring entwickelt im Ausgang von Schmidts Arbeit ihren ästhetischen Verfahren von extremer Zeitdehnung, narrativen Minimalismus, ihrer Verhandlung von Hokasawas „Walkman-Effekt“ und dem inszeniertem Medienwechsel den Begriff einer produktiv gestörten Immersion. Dabei wendet sie sich auch gegen die traditionelle Skepsis philosophischer Ästhetik gegenüber dem Sinnlichen und lotet dessen kritisches Potential aus.
